Der Kanton Genf mit seiner dynamischen Wirtschaft und internationalen Ausstrahlung zieht zahlreiche Reisende an, die häufig aus geschäftlichen Gründen nach Genf kommen. Da Buchungsplattformen Übernachtungen in Wohnungen anbieten, die normalerweise für die Dauermiete gedacht sind, verstärken sie den Wohnungsmangel im Raum Genf zusätzlich. Deshalb hat der Kanton 2018 entschieden, die wiederholte kurzzeitige Vermietung auf 90 Tage pro Jahr zu beschränken. Um die Umsetzung der neu geschaffenen Regeln zu erleichtern, hat der Kanton Genf auf dem Internet zudem entsprechende Informationen aufgeschaltet.

Weshalb wurde der Kanton Genf aktiv?
Aufgrund der Präsenz der internationalen Organisationen und zahlreicher Finanz- und Handelsunternehmen sowie der Beliebtheit der Region bei Touristinnen und Touristen übt der Kanton Genf eine grosse Anziehungskraft aus. Im letzten Jahrzehnt konnte der Wohnungsbau nicht Schritt halten mit dem Bevölkerungswachstum, sodass auf dem Genfer Wohnungsmarkt ein konstanter Mangel herrscht. Die deutliche Zunahme der Beherbergungsangebote auf Online-Buchungsplattformen (rund 2000 Wohnungen) verstärkt den Druck auf den Wohnungsmarkt zusätzlich und führt auch zu unlauterem Wettbewerb gegenüber den Hotels. Dieser Umstand wurde in den Medien wiederholt angesprochen und hatte ab 2014 verschiedene politische Vorstösse zur Folge. So hat der Staatsrat entschieden, diese Art der Vermietung zu regulieren, um damit folgende Probleme anzugehen:
Die Mieten und Verkaufspreise für Wohnungen im Kanton Genf gehören schweizweit zu den höchsten und die Leerwohnungsziffer ist tief. Zahlreiche Personen, die in Genf arbeiten, lassen sich deshalb ausserhalb des Kantons nieder. Wohnungen, die über Buchungsplattformen zur kurzzeitigen Vermietung angeboten werden, stehen nicht mehr als gewöhnliche Mietwohnungen zur Verfügung, wodurch sich die Wohnungsknappheit für die Wohn- und Arbeitsbevölkerung des Kantons zuspitzt.
Die Fairness im Wettbewerb zwischen den verschiedenen Akteuren des Beherbergungssektors leidet, wenn gewisse Anbieter über Buchungsplattformen professionell Wohnungen und Zimmer ausschreiben und sich dabei nicht an die Regeln bezüglich Kurtaxe, Meldung ausländischer Gäste bei der Polizei oder Deklaration der Einkünfte halten. Zudem bieten auch Privatpersonen ihre Wohnung gelegentlich auf Buchungsplattformen zur Untermiete an. Hier ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass sie sich nicht an alle gesetzlichen Pflichten halten, weil sie diese schlicht nicht kennen.
Die kurzzeitige Vermietung zieht auch für die Nachbarschaft Unannehmlichkeiten nach sich. So kann der häufige Gästewechsel zu Problemen führen, insbesondere in puncto Sicherheit, wenn der Zugangscode zu Wohngebäuden zahlreichen Personen bekannt gegeben wird. Es hat sich auch herausgestellt, dass die kurzzeitige Vermietung über Buchungsplattformen gewisse kriminelle Aktivitäten, einschliesslich der Zwangsprostitution, erleichtern kann.
Wie handelt der Kanton?
Um diese Probleme in den Griff zu bekommen, hat der Kanton sich an Massnahmen orientiert, die bereits in anderen Metropolen umgesetzt werden. So hat er sich für eine Beschränkung der Vermietungsdauer von Wohnungen entschieden. Diese Begrenzung wurde in einem neuen Artikel in die Umsetzungsverordnung zum Genfer Gesetz über den Abbruch, Umbau und die Renovation von Wohnhäusern (Règlement d’application de la loi sur les démolitions, transformations et rénovations de maisons d’habitation, kurz RDTR) aufgenommen. Zusätzlich hat der Kanton Genf eine entsprechende Rubrik auf seiner Website aufgeschaltet, in der leicht verständlich alle rechtlichen Bestimmungen erklärt werden, die für die kurzzeitige Vermietung über Buchungsplattformen gelten. Darüber hinaus handelte er mit Airbnb eine Vereinbarung über die automatische Erhebung der Kurtaxe aus.
Der neue Artikel 4A RDTR ist am 1. April 2018 in Kraft getreten. Er beschränkt die kurzzeitige Vermietung der ganzen Wohnung über Buchungsplattformen auf 90 Tage pro Jahr. Wird diese Anzahl Tage überschritten, muss eine Nutzungsänderung für die betroffenen Räumlichkeiten beantragt werden, da sie nicht mehr als Wohnung gelten, sondern als Geschäftslokal (wie bei einem Appartmenthaus). Besteht Wohnungsmangel, sind solche Nutzungsänderungen jeweils an bestimmte Bedingungen geknüpft und werden selten bewilligt. Ziel dieser neuen Regelung ist nicht, das Home-Sharing komplett zu verbieten. Vielmehr soll ein Rahmen dafür geschaffen werden, der eine kommerzielle Nutzung von Wohnungen ausschliesst, es Privatpersonen aber ermöglicht, ihre Wohnung teilweise oder gelegentlich zu vermieten.
Die Verankerung des neuen Artikels in der RDTR hat für den Kanton Genf zwei Vorteile: Erstens stützt sich die neue Bestimmung auf ein bestehendes Verfahren und bei den Immobilienakteuren bereits bekannte Instrumente, da die RDTR bereits verschiedene andere Formen der Nutzungsänderung regelt. Zweitens fällt die Änderung von Verordnungen in die Zuständigkeit der Exekutive, wodurch sie rasch umgesetzt werden konnte.
Aufgrund einer Einsprache, die einen Widerruf dieser Bestimmung erwirken wollte, kam die Verordnung vor das Kantonsgericht Genf, das den Artikel für zulässig erklärte, gleichzeitig die ursprünglich geplante Beschränkung von 60 Tagen jedoch auf 90 Tage verlängerte. Daraufhin wurde der Fall ans Bundesgericht weitergezogen, das die Bestimmung genehmigte und den Rekurs ablehnte.
Die Genfer Behörden legten besonders grossen Wert darauf, die für die wiederholte kurzzeitige Vermietung geltenden rechtlichen Bestimmungen weitherum bekannt zu machen. Anlässlich der Medienkonferenz vom 7. März 2018 erinnerte der Staatsrat an die Regeln, die im Gastgewerbe, im Tourismus und im Zusammenhang mit dem Ausländergesetz anwendbar sind. Diese Informationen wurden zudem auf der Website des Kantons in der Rubrik «Louer mon logement via une plateforme d'hébergement (type Airbnb)» veröffentlicht, zu Deutsch etwa «Wie vermiete ich meine Wohnung über eine Buchungsplattform (z.B. Airbnb)». Der Mieter- und der Eigentümerschaft, die Übernachtungsmöglichkeiten auf einer Buchungsplattform anbieten möchten, wird dort auf einem halben Dutzend Webseiten kurz und knapp auf Französisch oder Englisch erklärt, wie sie vorgehen müssen. Hier wird auch auf das Verbot der Untervermietung von subventionierten Wohnungen aufmerksam gemacht, unter Androhung der Kündigung. Seit 2016 wurde dieses Verbot allen betroffenen Mieterinnen und Mietern auch mehrfach auf dem Postweg mitgeteilt.
Der Kanton Genf und Airbnb haben eine Vereinbarung zur automatischen Erhebung der kantonalen Kurtaxe unterzeichnet. Dieser neue Mechanismus, der am 1. September 2020 in Kraft trat, ist vollständig digitalisiert und gewährleistet, dass die erhobenen Beträge ohne jegliche Gebühren direkt an die Behörden weitergeleitet werden. Airbnb ist die erste Online-Buchungsplattform von Unterkünften, die eine solche Vereinbarung mit dem Kanton Genf unterzeichnet hat. Die Zusammenarbeit wurde durch die Verabschiedung eines neuen Tourismusgesetzes im November 2019 erleichtert, mit dem eine Gleichbehandlung zwischen traditionellen und digitalen Unterkunftsanbietern eingeführt wurde.
Welche Erfahrungen hat der Kanton Genf gemacht?
Das Beispiel des Kantons Genf hat gezeigt, dass die neue Regulierung von den Gerichten für zulässig erklärt wurde, allerdings mit einer Erhöhung der Höchstdauer für die kurzzeitige Vermietung auf 90 Tage. Die Herausforderung besteht nun nicht mehr darin, eine spezifische Bestimmung zu erlassen, sondern in deren Umsetzung. Der Kanton hatte mit den wichtigsten Plattformen Gespräche aufgenommen, damit Angebote, welche die vorgeschriebene zeitliche Beschränkung überschreiten, automatisch durch deren Informationssysteme blockiert werden. Die Gespräche blieben jedoch ergebnislos, weil die Plattformen eine übergreifende Sperrung auf den einzelnen Plattformen für technisch nicht umsetzbar hielten. Angesichts der vielen verschiedenen Betrugsmöglichkeiten verlässt sich die Kantonsverwaltung nun vor allem auf Informationen aus dem Netzwerk der Akteure (z.B. Nachbarschaft, Hausverwaltungen, Mieterinnen- und Mieterverband). Seit dem Inkrafttreten der neuen Bestimmung hat die Kantonsverwaltung ein halbes Dutzend Anzeigen erhalten. Die entsprechenden Verfahren sind noch in Gang. Zudem prüft der Staatsrat weitere Möglichkeiten, um Verstösse aufzudecken.
- Die neuen Bestimmungen in eine bestehende, der Immobilienbranche bekannte Regelung integrieren, um die Akzeptanz und Umsetzung zu begünstigen.
- Die Öffentlichkeit genau über die gesetzlichen Pflichten und aus administrativer Sicht notwendigen Schritte informieren und auf Besonderheiten für unterschiedliche Ausgangslagen hinweisen (z.B. Mieterschaft von herkömmlichen bzw. subventionierten Wohnungen, Eigentümerschaft).
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Zahlen und Fakten
Die Anzahl der auf Buchungsplattformen angebotenen Unterkünfte schwankt mit der Marktentwicklung und ist je nach Quelle unterschiedlich. Gemäss InsideAirbnb waren im Kanton Genf im November 2018 insgesamt 2991 Unterkünfte (davon 1980 ganze) auf der Plattform Airbnb erfasst. Im Juli 2021 verzeichnete das Walliser Tourismusobservatorium, das sich auf die Daten von AirDNA stützt, 1377 Unterkünfte (davon 900 ganze) auf den Plattformen Airbnb und Homeaway.
Letzte Änderung 11.02.2022