Seit über 20 Jahren ist der Wohnraum im Kanton Waadt knapp, weshalb inzwischen diverse Instrumente und Massnahmen eingeführt wurden, um den gemeinnützigen Wohnungsbau zu fördern und den bestehenden Mietwohnungsbestand zu erhalten. Seit 2022 verfügt der Kanton im Bereich der Parahotellerie zusätzlich zum bestehenden Dispositiv über eine Regulierung für die Vermietung über Online-Plattformen.
Weshalb ist der Kanton Waadt aktiv geworden?
Mit seinen Weinterrassen, Berggipfeln, den Jurahöhen und den verschiedenen Seen bietet der Kanton Waadt eine enorme landschaftliche Vielfalt. Diese Attraktivität des Kantons ist auch auf dem Wohnungsmarkt spürbar, der seit gut 20 Jahren unter Druck ist. Auch die Nutzung von Online-Plattformen hat sich im Waadtland schrittweise ausgebreitet: 2018 waren fast 4000 Zimmer oder ganze Wohnungen allein auf der Plattform Airbnb verfügbar. Zwei Waadtländer Abgeordnete wollten diese Entwicklung deshalb genauer unter die Lupe nehmen und schlugen vor, dass der Staatsrat die Rahmenbedingungen für die Vermietung von Unterkünften über Plattformen wie Airbnb im Kanton Waadt gesetzlich regelt.
Bei einer Leerwohnungsquote von 1,5 Prozent gilt ein Markt in der Regel als ausgeglichen. Im Kanton Waadt ist dies seit 1999 nicht mehr der Fall. Durch die Kurzzeitvermietung von Zimmern und Wohnungen über Online-Plattformen spitzt sich die Situation weiter zu, da dem regulären Mietmarkt Wohnraum teilweise oder ganz entzogen wird. Ausserdem wird befürchtet, dass der Boom bei den Beherbergungsplattformen zu einer Preisexplosion für Untervermietungen und somit zu einem generellen Anstieg der Mieten führt.
Plattform-Geschäftsmodelle wie Airbnb bringen im Vergleich zur traditionellen Hotellerie verschiedene Probleme mit sich: Die Konkurrenz durch diese Plattformen könnte Umsatzeinbussen bei den traditionellen Akteuren zur Folge haben und somit das Risiko erhöhen, dass finanzielle Mittel für den Erhalt und den Ausbau der lokalen touristischen Ressourcen fehlen. Hinzu kommen die Schwierigkeiten bei der Erhebung der Tourismusabgaben und der Kurtaxen. Weiter fragt sich, ob die entsprechenden Einkünfte tatsächlich in der Steuererklärung angegeben und die ausländischen Gäste bei der Polizei gemeldet werden – Verpflichtungen, denen die traditionelle Hotellerie nachkommen muss. Im Bewusstsein dieser Herausforderungen sieht der Waadtländer Staatsrat aber auch potentielle Möglichkeiten in der zunehmenden Nutzung von Online-Plattformen, so etwa das breitere Beherbergungsangebot und Anreize für den Tourismus in den betroffenen Regionen. Deshalb wollte der Kanton diese Entwicklung nicht einfach verbieten – zumal sie einer effektiven Nachfrage entspricht –, sondern vielmehr Rahmenbedingungen schaffen, um die Einhaltung der geltenden gesetzlichen und institutionellen Vorgaben zu gewährleisten.
Was unternimmt der Kanton?
Um die Nutzung der Unterkünfte (Untervermietung, Kurzzeitvermietung usw.) kontrollieren und die Geschäftstätigkeit von Betrieben und Privatpersonen, die zur Beherbergung von Personen keine Genehmigung benötigen, besser zu regeln, hat der Kanton sein Gesetz über die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten (Loi sur sur l’exercice des activités économiques, LEAE) vom 31. Mai 2005 sowie die Vollzugsverordnung für das Gesetz zum Erhalt und zur Förderung des Mietwohnungsbestandes vom 10. Mai 2016 (Règlement d’application de la loi sur la préservation et la promotion du parc locatif, RLPPPL) geändert. Die Vorschriften zur Regulierung der Geschäftstätigkeit von Beherbergungsplattformen wie Airbnb sind am 1. Juli 2022 in Kraft getreten und sehen die folgenden Massnahmen vor:
Wer Mietwohnungen auf traditionelle Weise anbietet und diese nun über eine Online-Plattform wie Airbnb an mehr als 90 Tagen pro Kalenderjahr (am Stück oder übers Jahr verteilt) vermieten möchte, muss vorgängig eine Bewilligung für eine Nutzungsänderung beantragen. Die Nutzungsänderung muss über die Gemeinde, in der sich das Mietobjekt befindet, bei der Direction du logement des Kanton Waadt beantragt werden. Die Gemeinde fungiert dabei als Vorbescheidsbehörde. Diese Bestimmung ist Teil der kantonalen Politik zum Erhalt des Mietwohnungsbestandes und gilt nur für Gemeinden, in denen ein Mangel an Wohnraum herrscht. Eine Liste der Gemeinden mit Wohnraummangel wird jeweils Anfang Jahr in einem Erlass des für das Wohnungswesen zuständigen Departements veröffentlicht.
Vermietende müssen sich mindestens zehn Tage vor der ersten Vermietung einer Unterkunft bei der Gemeinde anmelden, in der sich das Mietobjekt befindet, und dieser danach einmal pro Monat Angaben zur Vermietungstätigkeit machen. Dank dieser Meldepflicht sind die Gemeinden darüber informiert, wer Räumlichkeiten vermietet, und können feststellen, ob die Kurtaxe tatsächlich erhoben wird. Zudem erleichtert dies die Kontrolle der Anzahl Übernachtungen, um namentlich die Beschränkung der Untervermietung auf 90 Tage pro Kalenderjahr zu überprüfen, die in Artikel 15 RLPPPL festgehalten ist.
Die Gemeinden müssen ein Verzeichnis der natürlichen oder juristischen Personen führen, die auf ihrem Gemeindegebiet Unterkünfte vermieten oder untervermieten. Erfasst werden müssen Name, Vorname, Geburtsdatum und Hauptwohnsitz der Vermietenden (bei juristischen Personen Firma und Geschäftssitz) sowie die Adresse und die Grösse (Anzahl Betten) der vermieteten oder untervermieteten Unterkunft. Die erfassten Daten können von den kommunalen und den kantonalen Behörden für Polizei- oder Steuerkontrollen eingesehen werden.
Um die Gleichbehandlung mit der Hotellerie zu gewährleisten, die der Gesetzgebung für Wirts- und Gasthäuser untersteht, müssen Personen, die eine Unterkunft über eine Beherbergungsplattform vermieten, ein Verzeichnis führen, das die Kontrolle sämtlicher Gäste erlaubt (mittels Ausweiskopie). Im Verzeichnis muss auch die genaue Dauer des Aufenthalts (Ankunfts- und Abreisedatum) vermerkt sein. Jeden Monat lassen die Vermietenden der Gemeindebehörde eine Kopie des Verzeichnisses zukommen.
Die 300 Waadtländer Gemeinden verfügen über eine grosse Autonomie, insbesondere bei der Erhebung der Kurtaxe. Um das Inkasso der Kurtaxen für Übernachtungen in Waadtländer Gemeinden zu erleichtern, hat der Verband der Waadtländer Gemeinden (Union des Communes Vaudoises, UCV) mit Airbnb eine Vereinbarung unterzeichnet, die am 1. April 2023 in Kraft getreten ist. Der UCV spielt somit eine wichtige Rolle als Vermittler zwischen Airbnb und den Gemeinden, die dieser Partnerschaft beigetreten sind oder beitreten wollen. Dieser Mechanismus sorgt für eine effektive Gleichbehandlung zwischen der professionellen Beherbergungsbranche und Privatpersonen, die Unterkünfte über Airbnb anbieten. Nähere Informationen zur Vereinbarung mit Airbnb sind auf der Website des UCV zu finden (nur auf Französisch).
Welche Erfahrungen hat der Kanton Waadt gemacht?
Der Kanton Waadt umfasst eine grosse Anzahl von Gemeinden. Diese verfügen bei der Wohnungspolitik über eine grosse Autonomie. Die Gemeinden haben gleichzeitig aber auch die Funktion der Aufsichtsbehörde und müssen somit kontrollieren, dass die gesetzlichen Vorgaben zum Erhalt des Mietwohnungsbestandes sowie für die Geschäftstätigkeit im Bereich der Parahotellerie eingehalten werden. Eine gewisse Komplexität ergibt sich aus der Tatsache, dass die Regulierung der Tätigkeiten über Beherbergungsplattformen in zwei bzw. diesen beiden Gesetzgebungen geregelt ist. Um den unterschiedlichen Gegebenheiten auf Gemeindeebene Rechnung zu tragen, betreffen die gesetzlichen Vorgaben zum Erhalt des Mietwohnungsbestandes nur Räumlichkeiten, die schon zuvor vermietet wurden und die sich in Gemeinden mit einem Mangel an Wohnraum befinden. Das LEAE gilt hingegen für alle Akteure (Eigentümer/-innen, Mieter/-innen), die Beherbergungsplattformen nutzen – unabhängig vom Standort des Objekts.
Bei der Erhebung der Kurtaxe agiert der UCV als Vermittler zwischen Airbnb und den Gemeinden, lässt diesen aber die Wahl, ob sie der Partnerschaft beitreten wollen oder nicht.
- Regulierungen für den Erhalt des Mietwohnungsbestandes schaffen, die die Angebotsvielfalt und die einzelnen Bedürfnisse der Regionen bzw. Gemeinden berücksichtigen.
- Unterstützung der kommunalen Behörden einholen, um für wirtschaftliche Tätigkeiten über Beherbergungsplattformen einen möglichst flexiblen und autonomen Rahmen einzuführen.
- Hilfsmittel für die Gemeinden bereitstellen, um sie bei der Umsetzung und Kontrolle von Begleitmassnahmen zu unterstützen.
Links
Zusätzliche Informationen (nicht auf Deutsch verfügbar)
Informationen zu Vermietungen über Plattformen wie Airbnb (Website Gewerbepolizei des Kanton Waadt)
Unterkünfte vom Typ Airbnb (Website der Direction du logement des Kanton Waadt)
Kurtaxe und Airbnb (Website des Verbands der Waadtländer Gemeinden – UCV)
Angaben zur Nutzung von Airbnb im Waadtland (Website InsideAirbnb – nur auf Englisch)
Vollzugsverordnung für das Gesetz zum Erhalt und zur Förderung des Mietwohnungsbestandes vom 10. Mai 2016 (RLPPPL; vgl. Art. 15 RLPPPL)
Gesetz über die Ausübung von Wirtschaftstätigkeiten vom 31. Mai 2005 (LEAE; vgl. Art. 4a, 74b, 74c, 74d und 74e)
Verfügbare Daten
Der Kanton Waadt beobachtet die Entwicklung von Airbnb auf seinem Gebiet seit 2017. Der Waadtländer Staatsrat hat beschlossen, dafür mit der unabhängigen und nichtkommerziellen Plattform «InsideAirbnb» zusammenzuarbeiten. Seit Beginn der Beobachtung hat die Zahl der auf der Beherbergungsplattform Airbnb angebotenen Objekte kontinuierlich zugenommen. Im März 2017 waren 1830 Unterkünfte (ganze Wohnungen oder einzelne Zimmer) auf Airbnb verfügbar. Bis im Februar 2024 stieg diese Zahl auf 5286 und hat sich damit innerhalb von sieben Jahren praktisch verdreifacht. Die hauptsächlich in Kartenform dargestellten Daten werden regelmässig aktualisiert und sind unter folgendem Link einsehbar: www.insideairbnb.com/vaud
Letzte Änderung 04.10.2024